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Samstag, 25. März 2006
Heide Schlüpmann, "Öffentliche Intimität. Die Theorie im Kino" Frankfurt am Main / Basel (Stroemfeld Verlag) 2002. Von Johannes Beringer Der vielleicht 'zentralste Satz' in diesem Buch ist für mich: "Über der Hingabe der Theorie an die Filme kehrt ihm sein Erkenntnisvermögen in neuer Gestalt wieder." (Über den 'Außenseiter der Theorie' Siegfried Kracauer.) Tatsächlich ist bislang die 'Faszination des Kinos', die ja (trotz neuer Medien) bis heute anhält, zwar 'deklariert' worden und doch einigermaßen unerklärt geblieben. Es gab und gibt diejenigen, die vom 'Virus' befallen sind, und die 'sich erkennen' (wie wenn sie einem losen Geheimbund angehörten) - was nicht zuletzt daher rühren könnte, dass ihre Leidenschaft einen unerklärten oder verschwiegenen Kern hat. In Heide Schlüpmanns Buch wird dieser 'Kern' berührt und in einen geistes- und lebensgeschichtlichen Zusammenhang gestellt, den ich hier nur andeuten kann. Der Regress in die philosophische Intimität - die im 19. Jahrhundert angesichts von Positivismus und Zersplitterung in Einzelwissenschaften notwendig war, um Wahrnehmung, Verstand und Geist zu bewahren - ist heute verloren: Schlüpmanns Rettungsversuch besteht eben darin, dieses 'Verlorene' (über die "Theorie des Films" hinweg) in einer andern Art von Regress - in der "öffentlichen Intimität" des Kinos - wiederzufinden und zu behaupten. Wie ein roter Faden zieht sich dann ein Begriff durch das Buch, der auch auf einer 'Rückführung' beruht: es geht nicht um die Theorie, sondern um die Theoria - um das Schauen und die Schau im antiken Sinn. Davon hat ebenfalls der schweizer Schriftsteller Ludwig Hohl etwas gewusst, wenn er in 'Bild', dem zwölften Teil seiner "Notizen", schreibt: "Schauen ist tatsächlich alles, Wissen geht immer fehl (das heißt das Wissen, das dauern will; das höchste Wissen kann nur einen Moment bestehen, eben den Moment, da es entsteht, im Schauen enthalten ist)." Dieses Schauen meint also eine Bewegung, die nicht nur in einem rein äußerlichen (akkumulierenden) Sehen aufgeht, sondern sinnvolle und sinnhafte Verbindung von innen und außen ist - auch innere Schau sein kann. Interessant ist auch das Schlusskapitel, 'Kinematographie in der Wissenschaftsinstitution', dem nicht umsonst dieses Motto vorangestellt ist: "Kinema, griech.: Bewegung, Erschütterung; übertr.: innere Aufregung, Aufruhr." Eine Setzung, die auch eine Entgegensetzung ist. Kracauer selbst wird "errettet", weil er an einem "Naturrest" festgehalten hat - mit seiner Außenseiterposition Obdach im Kino fand. Dieser "Naturrest" wird bei Schlüpmann, wenn ich recht verstanden habe, dem "Nicht-Menschlichen" zugeschlagen (was gewiss etwas anderes ist als das Un-Menschliche, das ja sehr viel mit geistiger Vermessenheit zu tun hat). Ich würde an dieser Stelle (mit dem schweizer Philosophen Hans F. Geyer) lieber die Kategorien "Geschichtsnatur des Menschen" und "Naturgeschichte" einsetzen - auf letzterer, die sehr viel langsamer vor sich geht, gipfelt sich der menschliche Geist so auf, dass der Rückbezug (der schon physiologisch, über den eigenen Körper gegeben ist) in Vergessenheit gerät oder negiert wird. Man wird vielleicht bemerkt haben, wie schwierig es ist - über '68 hinaus -, an etwas festzuhalten, was noch Züge des Emanzipatorischen trägt. Die Hypostasierung des Kinos, die in Heide Schlüpmanns Texten evident ist, ist wohl eine Auswirkung dieser Schwierigkeit - andrerseits ist eine solche Vereinseitigung völlig gerechtfertigt, weil gerade so und nicht anders eine Wahrheit aufscheinen kann. (Die Hypostase selbst - wie etwa auch bei der Musik - verweist ja darauf, dass an etwas Rettendem, Dahinter-, Darunterliegendem, festgehalten werden soll.) pburg, 25. März 2006 17:47:49 MEZ
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