new filmkritik für lange texte
 
Mittwoch, 7. Februar 2007

Dezember 06, Januar 07


Im Januar hatte ich einen Burberryschal gefunden an einem Dienstag in der Nacht nach dem Reden mit L, S, V, S nach den drei Filmen im Arthousekino. Zwei Tage danach oder einen Tag danach wusch ich den Schal mit Shampoo in meiner Spüle. Den schwarzen Schal hatte ich gleich mitgewaschen, den Schal, den ich in Wien gefunden hatte Anfang des letzten Jahres, als ich in Wien war wegen der Ausstellung und bei den Kiffern gewohnt hatte, die Schießspiele in der Nacht an ihren Computern spielten und kifften. Zwischen den Jahren hatte ich das Buch von Fichte gelesen, Die zweite Schuld, und im Januar die Westwingfolgen der vierten und fünften Staffel (USA 2002-04) geschaut. S hatte mir eine Spindel mit DVDs gegeben, da waren die Folgen drauf. Nach dem Gespräch im Arthousekino waren wir mit dem Taxi nach Hause gefahren, zuerst war L ausgestiegen an der Mohrenstraße, dann S und V am Mehringdamm und dann ich an der Kolonnen, Ecke Naumann. Am anderen Tag hatte ich D gefragt, was er Silvester gemacht hatte. D war zuhause gewesen an Silvester und hatte zwei Filme geschaut, einen von Frank Capra und einen von Alfred Hitchcock. Ich kannte den Film von Capra, es war der mit dem Shangri La, Lost Horizons (USA 1937), und erzählte von dem Text von Kracauer dazu und vom Caprahasstext von Manny Farber.

Silvester war uns kurz eine Gruppe französischer Jugendlicher begegnet. Das war in Kreuzberg im Club 39. Im Bateau Ivre danach war eine Antisilvesterfeier und wir beeilten uns, davon weg zu kommen, hörten aber beim Wegkommen noch den Chanson von Gainsbourg, Elaeudanla Teïtéïa, der uns viel bedeutet hatte im letzten Jahr, weil es dieser Chanson ist, den die Hauptfigur in dem Film von Martin Rit, La leçon de guitare (F 2006), auf der Gitarre spielen lernt.

Ein paar Tage später schaute ich eine Westwingfolge als L mich anrief, er wollte ins Kino gehen mit mir. Schon wieder?, hatte ich ihn gefragt, und gemeint, mein Tag habe bisher noch nicht viel Sinn gemacht und L hatte gemeint, dass ich dem Kino wohl nicht mehr zutraue, meinem Tag Sinn zu verleihen. Er verstehe diese Position aber. L hatte mir die Newsonplatte geschenkt, die ich zuerst zwischen den Jahren auf der Rückfahrt von Bielefeld gehört hatte. Das war in dem Wagen der Friseurin und Buddhistin, die uns von der Welt erzählt hatte. Es war lässig auf einem Autobahnparkplatz an ihr Auto gelehnt zu stehen und langsam den Rauch der Zigarette in die kalte Nacht zu blasen. Es war wie Kino. Der andere Mitfahrer war ein junger Nerd, der in Paderborn Computer studiert und zum Chaos Computer Club Treffen nach Berlin fuhr.

Ein paar Tage später hatte ich in den Historien Shakespeares gelesen und wieder ein paar Tage später in der Filmkritik vom Februar 1972. Dieses Filmkritikheft hatte V mir geschenkt. Es war das Heft, das mir fehlte. Ich las den Text von Nettelbeck, The Flesh of the Orchid. Etwas war darin, was mir nicht mehr gefiel am Rechthaben. Ein paar Seiten neben dem Text war ein Praunheimbild aus New York, das Praunheim zeigte mit dicken Eiern in engen Jeans. Ein paar Tage später am Abend guckte ich den Film Cisco Pike (USA 1972) mit Kristoffersen und Karen Black und Gene Hackman und Harry Dean Stanton. Ich drückte auf Pause und ging in die Küche. Am Nachmittag hatte ich mir 6 Eier gekauft, nun kochte ich am Abend, während der Film Cisco Pike in einem Standbild auf mein Weiterschauen wartete, 2 Eier. Ich hatte dann beim Weiterschauen die kochenden Eier vergessen, doch dann fielen sie mir wieder ein und ich ging in die Küche. Das Wasser war verdampft und die Eier hartgekocht. Eines von ihnen aß ich dann, während ich den Film Cisco Pike weiterschaute, mit Salz. Auf dem Boden im Zimmer lagen Stapel mit Sachen. Zeitschriften, Bücher, Videocassetten, DVDs, ausgerissene Zeitungsartikel, Kopien, CDs, leere und volle Hefter, ein Staubtuch. In diesen Tagen war ich oft an diesen Stapeln vorbeigegangen und sie gefielen mir immer besser. Auf dem Cover einer Ausgabe der österreichischen Zeitschrift Ray sieht man ein Videostandbild aus dem Film Badlands (USA 1973), man erkennt die Bildzeilen, weil es unvorteilhaft vergrößert wurde. Da ist Martin Sheen zu sehen vor einem Auto. Ich wollte, ich hatte mir vorgenommen, ich beabsichtigte, Sachen über das Sehen der Serie West Wing aufzuschreiben. In der Fernsehserie West Wing ist Martin Sheen 25 Jahre nach Badlands der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Immer ist viel zu tun, nie wenig.

Ein paar Tage später bei einer Geburtstagsfeier in Kreuzberg dachte ich, dass die Filmsachen und die Sachen, die man zu Filmen macht, doch nicht nur ums Verfügbarmachen für die eigenen Kontexte und deren betriebige Identitätspolitik gehen sollte. Ein paar Tage zuvor hatte ich mit S und V bei S gesessen und dies dauernde Verfügen über die Filme noch halbherzig verteidigt gegen die Meinung von S und V. Bei einem Essen in einer Gaststätte ein paar Tage später teilte ich mir dann mit M beim Kroaten in der Nähe der alten Akademie der Künste einen Grillteller für zwei Personen. In der Nacht nach dem Essen konnte ich nicht schlafen, was an dem vielen Fleisch lag. Ich hatte viel geraucht beim Essen und Reden mit M und zugleich auch über die Idee des Rauchenaufhörens mit M gesprochen, ein Widerspruch, der mir erst jetzt beim Aufschreiben auffällt. Als ich einige Tage später Ferien (D 2007) von Thomas Arslan sah, hatte ich wieder daran gedacht, mit dem Rauchen aufzuhören. Das Rauchenaufhören, dachte ich, wäre sicher interessant, aber es kommt mir doch auch wie ein Verrat am Rauchen vor. Ich hatte mit S, das war am Freitag, als wir von L losmussten nach der ersten Redaktion des Arthousetextes und auf den Bus zum Arsenal warteten, über das Essen geredet. S isst jetzt besser, aber auch teurer. Viele reden nun über das Essen, auch im Fernsehen. Ich erinnere mich nun an die Auflösung des Buchladens in der Hagelberger Straße. Da sagte der mürrische Mann, der den Laden auflöste, die Leute, die früher lasen, würden heute nur noch essen und trinken und ficken. Es ist übertrieben, es so zu sagen, hatte ich damals gedacht, und soviel Wahres ist auch nicht dran, dass man es so sagen müsste.

Den Film Le Doulos (F 1962) von Jean Pierre Melville hatte ich an einem anderen Abend gesehen, vieles aus dem Film hatte ich aber in vierfacher Geschwindigkeit gesehen, weil ich der Erzählung beim Betrachten müde wurde. Ich hatte nicht gewusst, dass Melville ein Künstlername ist, den sich Melville gegeben hatte nach dem amerikanischen Schriftsteller Herman Melville. Auch den Film Orphée (F 1950) von Jean Cocteau hatte ich gesehen, auch ihn zu großen Teilen in vierfacher Geschwindigkeit. Es ist interessant und von eigener Schönheit, Filme in vierfacher Geschwindigkeit zu sehen, das einzelne Bild schwebt bisweilen dabei. H hatte dies Geschwindigkeitsbetrachten einmal als Analysemethode empfohlen, man sieht, sagte H, beim schnellen Vorlauf die Bauweise der Filme und nicht deren Ereignismomente. Im Kino Arsenal, in normaler Projektionsgeschwindigkeit, hatte ich dann ein paar Tage später den Film The Last Movie (USA 1971) von Dennis Hopper gesehen. Nachher standen wir eine Weile im Foyer. Das Lied in dem Film mit der Zeile Freedom's just another word for nothing left to loose, von Kristofferson, dachte ich da, veranschaulicht das mit den Momenten und der Bauweise sehr schön.

Ein paar Tage später, nach der Arbeit, war noch etwas Zeit bevor das Kino wieder anfing, ich aß eine Currywurst und eine Pommes bei Curry36 am Mehringdamm. Vorher entlieh ich in der AGB die DVD mit von Stroheims Foolish Wives (USA 1922). Ich erinnere mich, diesen Film noch bei den Eltern einmal im WDR gesehen zu haben. Ich erinnere mich an die Videoabteilung der Stadtbibliothek in Bielefeld und die Videocassetten mit den Godardfilmen, die R aus der Schweiz besorgt hatte. Ein Schweizer hatte damals die ersten beiden Folgen der Histoire(s) (F 1988ff.) aus dem Fernsehen aufgenommen und mit viel Mühe gelangten sie dann nach Nordrheinwestfalen. Einen Bericht darüber schreiben, wie es war, ein Video aufzutreiben und in die Hände zu bekommen Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts.

Ein paar Tage später hatte ich mir zwei Bücher mit Filmkritiken von Gunter Groll ausgeliehen, Magie des Films, Kritische Notizen über Film, Zeit und Welt von 1953 und Lichter und Schatten. Filme in dieser Zeit von 1956. Es gibt diese Idee, dass sich Namen als Aufforderungen ihnen nachzugehen erst beim zweiten Mal aktualisieren. Es ist wichtig, die Sache mit dem zweimaligen Auftauchen eines Namens zu behalten: Taucht etwas zweimal auf, ist es als Hinweis wahrzunehmen, dem nachzugehen ist, wenn die Zeit für ihn da ist. Gunter Groll ist ein Filmkritiker aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Gunter Groll ist einer, dessen Name mir zweimal begegnet war in der letzten Zeit. Das erste Mal las ich den Namen in einer Liste von Michael Althen, das war letztes Jahr. Das zweite Mal las ich den Namen in dem Text aus der Geschichte Des Deutschen Films von Jacobsen, Kaes und Prinzler. Das war vor ein paar Tagen. Den Text hatte Fritz Göttler geschrieben, über das Kino der 1950er Jahre der BRD, und der Text waberte und franste zum Schluss immer mehr.

In den nächsten Tagen summte ich ab und an ein Lied, Hey, Hey, I Saved the World Today, ein Lied der Band Eurythmics. Ich schaute nach bei Wikipedia, es ist von 1999. Ich hörte es in einer Folge der Serie The Sopranos. T hatte mir die zweite Staffel dieser Serie (USA 2000) ausgeliehen. Das Lied kommt am Ende einer Folge aus dieser Staffel vor. Das ist die Folge, in der Tonys Schwester Richie Aprile erschießt und Tony die Leiche entsorgen lässt und seine Schwester zum Greyhoundbus bringt, dass sie aus der Geschichte verschwinden kann. Da ist dieses Lied wie eine Tonführung zu den Gedanken und Gefühlen des Tony Soprano, der von dem, was er tat und erlebte, nichts preisgeben darf, auch seiner Ehefrau nicht, zu der er nach den vielen Aufregungen der Folge in der Nacht zurückgekehrt war. Dieses schöne Popmusikstück ist aber nicht im Raum des Erzählten zu hören. Es ist sehr schön, dieses Lied in dieser Folge der Serie zu hören, weil es die Erschöpfung des Glücklichen zum Inhalt hat und ausdrückt; ich bedauerte aber, dass die Figuren in der Serienfolge es nicht auch zu hören bekommen.

Ein paar Tage später hatte ich den deutschen Film Der Tiger von Eschnapur (BRD 1959) von Fritz Lang auf DVD geschaut. Wochenlang hatte die Box mit den Langfilmen auf dem Aktenschrank neben der Tür im Arbeitszimmer gelegen. K hatte, das erinnerte ich beim Schauen des Films, in der Tageszeitung taz einen Artikel geschrieben über das Herauskommen der DVD. Ich wollte den Artikel wiederlesen, wenn ich die beiden Filme gesehen habe. Am Ende von Der Tiger von Eschnapur, der mir von Minute zu Minute immer besser gefiel als etwas ganz Fremdes, wird der Film Das Indische Grabmal (BRD 1959) annonciert in drei Texttafeln. Auf den Texttafeln zu lesen steht, dass die Fortsetzung der Geschichte von Der Tiger von Eschnapur und deren schließlicher Ausgang in dem Film Das Indische Grabmal zu sehen ist. Die Schrift der Texttafeln erscheint vor dem Hintergrund einer verzierten Holztafel und sie ist in fettleuchtendem Gelb. Immer größer werden die Buchstaben, sie gehen den Zuschauer richtiggehend an: Die wunderbare Rettung der Liebenden sehen Sie in der Fortsetzung des Films DAS INDISCHE GRABMAL noch spannender noch gewaltiger noch grandioser

  • Michael Baute -



 
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